Am 30. November 2024 wurde auf der Wersauer "Kraizgass" eine Bronze-Statue in Form einer Gans eingeweiht, die zukünftig diesen historischen Bereich unseres Dorfes zieren wird.
Doch was hat es mit diesem Ferdervieh überhaupt auf sich? Wie wurde die Gans neben unserem Kirchturm zum Wahrzeichen und letztendlich auch zum Wappentier Wersaus? Wieso bezeichnete man früher selbst die Einwohner Wersaus scherzhaft als Werscher Gäns´ ?
Die Antwort ist denkbar einfach: Weil es in Wersau früher Unmengen an als Nutztiere gehaltene Gänse gab. Sie lieferte Fleisch, weiche Daunen für Kissen und Decken und auch den Job eines Wachhunds kann eine Gans wohl sehr gut übernehmen. Nicht immer so einfach war allerdings der Umgang mit ihnen.
Hierzu ein Auszug aus der Wersauer Chronik "Geschichte und Geschichten eines Dorfes", verfasst von den inzwischen verstorbenen Heimatforschern Willy Krell (Wersau) und Georg Dascher (Ober Kainsbach):
Dass in Wersau Herden von schnatternden Gänsen durch die Dorfstraßen zur Weide auf abgeerntete Felder und Wiesen getrieben wurden, ist lange her. Kaum jemand wird sich heute noch daran erinnern, dass die Bewohner des Dorfes auch ihre Ziegen und Schweine einem Hirten anvertrauten, der die Schweine im Herbst zur Eichelmast in den Wald und die Ziegen zur Weide in die Wiesen der Gersprenzaue trieb. Dass all dies vor über 100 Jahren noch Realität war, belegt ein Hirtendienstvertrag vom 3. Mai 1902, der im Archiv der Gemeinde Brensbach verwahrt wird und seines interessanten Inhalts wegen hier in Abschrift folgt:
Geschehen Wersau, 3. V. 1902
Betreffend: Der Hirtendienst der Gemeinde Wersau.
Zwischen dem Unterzeichneten, dem Ortsvorstand der Gemeinde Wersau und dem Peter Hofmann wurde heute folgender Vertrag abgeschlossen:
1. Der Peter H. übernimmt das Hüten der Gänse, Schweine und Ziegen für die Summe von 300 M., Drei Hundert Mark pro Jahr.
2. Der Übernehmer hat das Austreiben der Gänse jeden Tag von Tagesanbruch bis Nachmittags sechs Uhr zu besorgen und darfohne Erlaubnis des Bürgermeisters, welche nur in den dringendsten Fällen erfolgt, nicht zu Hause bleiben, auch ist er für allen Schaden verantwortlich, der durch Nachlässigkeit, durch ihn oder seine Angehörigen, entsteht. Das Austreiben der Schweine erfolgt wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitagsvormittags von 7-12 Uhr. Das Austreiben der Ziegen erfolgt nach der Ernte, bis in Spätherbst, solange es die Witterung erlaubt.
3. Der Übernehmer hat sämtliche Leute, die zum Hüten notwendig sind, zu stellen, auch sind Gänse, Schweine und Ziegen zur bestimmten Zeit gleichzeitig auszutreiben.
4. Sollte der Übernehmer sich säumig oder nachlässig zeigen, so steht es dem Bürgermeister frei, demselben einen Abzug an dessen Lohn bis 5M, pro Tag zu machen oder denselben sofort seines Dienstes zu entlassen.
5. Bei Streitigkeiten oder sonstigen Vorkommnissen ist der Übernehmer an die Entscheidung des Bürgermeisters gebunden, und verzichtet hiermit ausdrücklich auf jede gerichtliche Entscheidung oder Einschlagung des Beschwerdeweges.
6. Bei Fällen, bei welchem Vieh durch Nachlässigkeit des Hirten verendet oder beschädigt wird, haftet der Übernehmer für allen Schaden und wird ihm deshalb ein Teil seines Lohnes einbehalten.
Unterschriften der Vertragsparteien
Dass auch Jahre später die „Werscher Gäns“ wieder ein Thema waren zeigt sich im Jahr 1912, wo sich der Landwirt Wilhelm W. massiv darüber beklagt, dass er „durch die Gänse,
die die in Wersau ohne Aufsicht herumlaufen, auf Äcker fliegen und sich das Futter nehmen wo sie’s bekommen können“, schweren Schaden erlitten habe. Von seinen Dickwurzelnzeln seien die Blätter abgefressen und von der dritten Schur Klee habe er überhaupt nichts ernten können. Da er sich selbst außerstande sieht, die Gänse zu vertreiben, forderte er - falls man die Gänsehalter nicht zum Einsperren der Tiere zwingen kann - die Einstellung eines Gänsehirten. Der zuständige Feldschütz Heyland erklärt zwar, W. habe die Vorwürfe nur deshalb erhoben, weil er Gänse misshandelt und sich dafür eine Anzeige wegen Tierquälerei zugezogen habe, doch unterstützt er dessen Forderung, für die etwa 260 Werscher Gänse einen eigenen Hirten zu bestellen, da er mit der Überwachung von 1800 Morgen Feld und Wiesen voll ausgelastet sei. Nachdem sich auch das Großherzogliche Kreisamt Dieburg dieser Einschätzung der Lage angeschlossen hat, beschließt der Wersauer Gemeinderat in seiner Sitzung vom 21. November 1912, für das Haushaltsjahr 1913 den Betrag von 130 Mark für die Anstellung eines Gänsehirten einzusetzen.