Ehrenamtliche Bodendenkmal-Pflege

Demnächst finden sie hier alles zu einer archäologische Sensation, die sich im Oktober 2024 in unserer Nachbarschaft ereignete und zu der der HuGV einen entscheidenden Beitrag leistete.

Erfahren Sie hier alles zur Zusammenarbeit des Heimat- und Geschichtsvereins mit der Hessischen Landesarchäologie

Entdecken sie alle bisher bekannten Bodenfunde im Bereich der Großgemeinde Brensbach.


Vorgeschichtliche Fundstellen

Eisenzeit (850 v.Chr. –  um Christi Geburt)

Die Entdeckung des neuen Werkstoffs Eisen läutet in Europa ein neues Zeitalter ein, das die Verwendung von Bronze nach und nach ablöst und damit den Beginn des neuen Zeitalters darstellt. Die frühe Eisenzeit (ca. 850 v.Chr. – 450 v.Chr.) wird nach ihrem bedeutsamsten Fundort, Hallstatt in Ober-Österreich, auch Hallstatt-Zeit genannt. Die späte Eisenzeit (450 v.Chr. – um Christi Geburt) ist die sogenannte Laténe-Zeit (benannt nach ihrem wichtigsten Fundort in der Schweiz). Zur Laténe-Zeit besiedelten keltische Stämme weite Teile Mittel- und Südeuropas. Die Kelten, die westlich des Rheins auch als Gallier bezeichnet werden, siedelten in Brensbach und wahrscheinlich auch in Wersau. Laténezeitliche Bodenfunde stellen in ihrem Kontext die frühesten Siedlungsbelege beider Ortschaften dar.

Abb 13 Keltische Keramikscherben BrensbachAbb.: Keltische Keramikscherben, die 1950 im Bereich der heutigen Karl-Schäfer-Straße gefunden wurden, sind der älteste Siedlungsbeleg Brensbachs Foto: M.Tischler

In Brensbach siedelten Kelten
Im Jahr 1950 kam bei Erdarbeiten, die im Zuge der Neuerschließung des Wohngebietes im Bereich der heutigen Karl-Schäfer-Straße durchgeführt wurden, der bisher älteste Beleg für die Besiedlung Brensbachs ans Tageslicht. Beim Aushub einer Grube, in der wie zu dieser Zeit üblich, Kalk für den weiteren Hausbau gelagert werden sollte, stießen die Arbeiter auf eine vorgeschichtliche Abfallgrube. Darin befanden sich Keramikscherben von über 40 Gefäßen unterschiedlichster Größen, Farben und Formen, die zum Teil Verzierungen aufweisen. Neben den Keramikfragmenten, verziegeltem Lehm und Holzkohleresten konnte ein Schwung-Gewicht für eine Handspindel – ein sogenannter Spinnwirtel sichergestellt werden. Die Funde wurden dem damaligen Kreismuseum Dieburg übergeben und vom Museumsleiter und Archäologen Walter Boss in die frühe Laténe-Zeit datiert. Sie wären somit ca. 2400 Jahre alt. In der gesamten Vorgeschichte war es üblich, dass solche Abfallgruben unmittelbar neben Behausungen angelegt wurden. Dass sich im Bereich direkt oberhalb des Brensbacher Verkehrskreisels zumindest ein keltisches Gehöft befand, ist somit belegt.
Im Jahr 2021 konnten der HuGv Wersau und die Forschungsgemeinschaft Schnellerts zusammen mit Bürgermeister Rainer Müller die historischen Bodenfunde nach über 70 Jahren wieder zurück nach Brensbach holen. Das Dieburger Museum Schloss Fechenbach stellt sie dankenswerter Weise dem Dorfmuseum Brensbach als Dauerleihgabe zur Verfügung, wo sie ab dem Jubiläumsjahr 2023 ausgestellt werden sollen.

 

Ältester Beleg für Eisenverhüttung in der Region auf Wersauer Gemarkung?
Im Gegensatz zu den Bronze-Bestandteilen Kupfer und Zinn, die in der Natur auch in reiner Form (gediegen) vorkommen, findet man das reaktionsfreudige Eisen auf unserer Erde zwar wesentlich häufiger, aber nahezu ausschließlich in mineralischen Verbindungen – als Erz. Um diesem das verwertbare Eisen im sogenannten Verhüttungsprozess zu entziehen, bedarf es hoher Temperaturen, einer ausgeklügelten Technik und viel Erfahrung. Deshalb dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis die Eisenzeit den gesamten europäischen Kontinent erreicht hatte. Doch schließlich sollten überall revolutionäre Werkzeuge im Alltag der Menschen ankommen: Pflüge, Sensen, Klingen, Sägen, Schippen, Hämmer, Meisel, Rechen, Nägel etc. konnten nun in einer bisher nicht bekannten Robustheit hergestellt werden. Im Unterschied zu Bronze ist das neue Metall wesentlich härter, der Rohstoff deutlich günstiger und häufig vorkommend. Gerade auch im Odenwald. 

Schlackefleck
Der Wersauer Landwirt Georg Arras beobachtete jahrelang eine Auffälligkeit, die er Anfang der 2000er Jahre meldete. Auf einem Acker Wersauer Gemarkung, beim Weiler Hippelsbach, ist auf einer Fläche von 25x30m der sonst so helle Löß-Boden dunkel verfärbt und übersät mit zum Teil stark eisenhaltigen Schlacke-Brocken.

 

Schlacke 1

Bei einer Feldbegehung, die im Jahr 2005 von der AG Altbergbau Odenwald durchgeführt wurde, kam der Geologe und Bergbauspezialist Jochen Babist zu der Einschätzung, dass es sich um einen sehr alten Verhüttungsplatz von Eisenerz handeln könnte. Streufunde von gefritteten Lehmbrocken deuten auf die Verwendung eines sogenannten Rennofens hin.

rennofen

In solchen, aus Lehm gefertigten 1-2m hohen Kamine wurde kleingemahlenes Eisenerz in einem ca. 1100-1300°C heißen Holzkohle-Feuer erhitzt. In einer chemischen Reaktion mit dem Kohlenstoff aus der Holzkohle entsteht aus dem Eisenanteil des Erzes und Kohlenstoffmonoxid metallisches Eisen. Die restlichen mineralischen Bestandteile des Erzes schmelzen zu Schlacke. Wird diese abgestochen, "rinnt" sie seitlich aus dem Ofen heraus (daher der Name Renn-Ofen) und kann so vom festen metallischen Eisen weitgehend abgetrennt werden. Im Ofen zurück bleibt die Luppe, ein schwammartiges Roheisen-Gebilde, das entnommen wird und nun mit Hammerschlägen ausgeschmiedet werden kann. Die zum Erreichen der Schmelztemperatur nötige Luftzufuhr wurde mit einem Blasebalg erzeugt und/oder man wählte für den Rennofen-Standort ein Gelände mit günstiger Thermik, um mit Hilfe des Windes eine gute Sauerstoffversorgung zu erreichen. Diese Bedingungen finden wir am Hippelsbacher Schlackeplatz vor.

Rennofen Schema
Funde 1 1 1n

Bei einer erneuten Begehung der Fläche wurden im Jahr 2018 über 10kg Schlacke und weitere Bruchstücke gebrannten Lehms gesammelt. Im Inneren eines etwa faustgroßen Schlackebrockens wurde ein gut erhaltenes Stück Holzkohle entdeckt. Organisches Material kann mit der so genannte 14C-Methode (Radiokarbon-Analyse), datiert werden. Dabei wird das Verhältnis stabiler und instabiler Kohlenstoff-Isotope in abgestorbenem, organischem Material verglichen. Je älter die Probe ist, desto weniger des zerfallenden 14C bleibt im Material. So kann auf vergangene Zeit geschlossen werden.

C14 uni HD
C14 Grafik

Die aufwändige Untersuchung wurde vom HuGV beim Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie in Mannheim beauftragt und lieferte ein beeindruckendes Ergebnis:
Der Baum aus dem die Holzkohle hergestellt wurde, wuchs zwischen 40 vor Chr. und 62 nach Chr. Unter der Voraussetzung, dass die Probe nicht verunreinigt war und dadurch die Datierung verfälscht wurde, handelt es sich damit um den ältesten Beleg für Eisenverhüttung in der Region. Um diese Annahme verfestigen zu können, wird die Analyse einer weiteren Probe angestrebt.

Schlackefunde und der Nachbau eines Rennofens sind im Dorfmuseum Wersau ausgestellt.

 

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Die keltische Münze aus Bierbach
Bei der Sondierung eines Ackers beim Weiler Bierbach, wurde im Jahr 2019 ein keltischer QuinarTyp Heidelberg-Neuenheim" gefunden. Die Münze stammt aus der späten Laténe-Kultur (etwa erstes Jahrhundert v.Chr.) und ist, neben ihrem ersten dokumentierten Fundort bei Heidelberg, vorwiegend durch Funde aus Hessen bekannt. Beim Bierbacher Quinar handelt es sich um eine der ganz wenigen keltischen Münzen, die aus dem Bereich des vorderen Odenwaldes überhaupt bekannt sind. Sie ist im Dorfmuseum Wersau ausgestellt.

Abb 16 Quinar Bierbach
Abb.: Der keltische Quinar, der bei Bierbach gefunden wurde, ist die älteste bekannte Münze des Gersprenztals.
Foto: M.Rämisch

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Eine neue Siedlungsspur aus der frühen Eisenzeit?
Das Brensbacher Gewerbegebiet entlang der B38 wird in den kommenden Jahren bis fast an den Schlachthof wachsen. Hier soll der Gewerbepark Gersprenztal entstehen, ein Gemeinschaftsprojekt der Gemeinden Brensbach und Fränkisch-Crumbach. Die dazu anstehenden Erdarbeiten werden den Boden dieses Bereichs erheblich verändern. Dabei besteht die Gefahr, bisher noch unbekannte Bodendenkmale zu zerstören. Die beiden Gemeinden stimmen die Entwicklung eng mit der hessenArchäologie im Landesamt für Denkmalpflege ab. Zur Ermittlung der Ausdehnung der frühen Besiedlung werden aktuell verschiedene Gutachten erstellt, unter anderem eine geomagnetische Prospektion des Geländes. Mit dieser Methode, bei der mit hochsensiblen Sensoren minimalste Störungen des Erdmagnetfelds gemessen werden, können Fachleute unter der Erde liegende Mauern, Fundamente oder verdichtete Stellen erkennen. Auf die Ergebnisse dürfen wir gespannt sein. Bei Begehungen des Areals konnten auch Keramikfunde der Hallstattzeit geborgen werden, die auf eine Nutzung des Areals nicht nur in der römischen Zeit, sondern auch in der frühen Eisenzeit hindeuten. Von mehr als einer vagen Siedlungsspur kann bei diesem Befund bisher nicht gesprochen werden.

 

Marco Tischler 2023 - aus Brensbach - eine Zeitreise