(bretonisch "Langer Stein" - maen = Stein, hir = lang; aufgerichteter Monolith, Hinkelstein)
Lediglich 300m von den Hügelgräbern am Bensenböhlskopf entfernt kam es durch Zufall und einen aufmerksamen Landwirt zu einer kleinen archäologischen Sensation. Beim Pflügen seines Ackers blieb der Wersauer Helmuth Schneider immer wieder mit dem Pflug an einem mächtigen Stein hängen, der in seinem Acker lag.
Als er im Frühling 1977 im Darmstädter Echo von der Bergung eines vergrabenen Hinkelsteins bei Klein-Umstadt las, erkannte er die Parallelen und erwirkte daraufhin die Untersuchung seiner eigenen Beobachtung. Es stellte sich heraus, dass er mit seiner Vermutung richtig lag. Unter der Leitung des Grabungstechnikers Norbert Fischer bargen Mitglieder der Forschungsgemeinschaft Schnellerts und der AVA Dieburg, zusammen mit freiwilligen Helfern aus Wersau, den 2,95m langen, 1,50m breiten und 40cm starken Menhir.
Er besteht aus dem hier anstehenden und im benachbarten Steinbruch abgebauten Bergsträßer Diorit und wurde 70m westlich der Fundstelle am Waldrand wieder aufgerichtet. Bei der Grabung wurden außerdem fünf 20–40cm große Steine, die vermutlich als Stütz- und Keilsteine dienten, gefunden. Unter dem Hinkelstein fand man Reste von Holzkohle und Kleinscherben aus gebranntem Ton. Diese Beifunde, die Form und Position des Steins und die Nähe zu den ehemaligen Hügelgräbern am Bensenböhlskopf lassen vermuten, dass man hier auf einen Ort gestoßen ist, der für unsere Vorfahren von ritueller Bedeutung war.
Am 21. März 2019 machten Mitglieder des HuGV Wersau eine interessante Beobachtung. Vom ursprünglichen Standort des Menhirs betrachtet, erscheint am Morgen der Tag-und-Nacht-Gleichen (Äquinoktium) die aufgehende Sonne in einer markanten Einkerbung der östlichen Horizontlinie. Die Kerbe wird durch zwei versetzte Anhöhen im Wald bei Brensbach und Höllerbach gebildet und ist somit unabhängig von der Bewaldungssituation vorhanden. Die Tag-und-Nacht-Gleichen, im März und September, markieren für die Landwirtschaft entscheidend wichtige Zeiträume für Aussaat und Ernte. Ob unsere Vorfahren den Standort des Wersauer Menhirs auch bewusst für eine dementsprechende zeitliche Orientierung wählten oder es sich um einen reinen Zufall handelt, steht zur Diskussion.
Eine genaue Datierung, wann der Stein hier aufgestellt wurde, ist denkbar schwierig. Es wird, analog zu den Datierungen der Funde am Bensenböhlskopf, eine große Zeitspanne zwischen Jungsteinzeit und mittlerer Bronzezeit für möglich gehalten. Sehr wahrscheinlich gelangte der gewaltige Stein durch eine sogenannte Verlochung – nach dem einfachen Prinzip „Loch graben, Stein reinstoßen, Loch füllen“ – unter die Erde. Zwei Beweggründe gelten dazu als möglich: Entweder wollte jemand die Erinnerung an die Menschen, die dieses Symbol errichtet hatten, löschen oder der Stein behinderte einen neuzeitlichen Ackerbauern schlichtweg bei seiner Arbeit.
Laut der Groß-Bieberauer Pfarrchroniken haben im Jahr 1821 junge Bieberauer Burschen einen weiteren Menhir von seinem Standort am Wildfrauenstein mit Pferden an die Friedhofsmauer geschleift. Der Berg liegt in Sichtweite, nur 1,5km nordwestlich des Bensenböhlskopfs, von dem aus betrachtet am Tag der Sommer-Sonnenwende die Sonne über dem Wildfrauenstein untergeht. Wieder ein Zufall? Die Groß-Bieberauer wussten den Stein jedenfalls nicht sonderlich zu schätzen und legten ihn um 1828, nach dem Abriss der Friedhofsmauer, in eine nasse Gersprenzwiese, wo er durch sein Eigengewicht versunken ist.
Abgesehen von diesem sind bisher in Südhessen fünf Menhire und eine Menhir-Anlage bekannt und auch erhalten geblieben. Der Menhir von Wersau ist davon der größte und der einzige im Odenwald.