Ehrenamtliche Bodendenkmal-Pflege

Demnächst finden sie hier alles zu einer archäologische Sensation, die sich im Oktober 2024 in unserer Nachbarschaft ereignete und zu der der HuGV einen entscheidenden Beitrag leistete.

Erfahren Sie hier alles zur Zusammenarbeit des Heimat- und Geschichtsvereins mit der Hessischen Landesarchäologie

Entdecken sie alle bisher bekannten Bodenfunde im Bereich der Großgemeinde Brensbach.


Vorgeschichtliche Fundstellen

Bronzezeit (1800 v.Chr. – 850 v.Chr.)

Abb: Lidar-Geländemodell der vier Hügelgräber auf dem Gemmertsberg.
(Bild: M.Tischler, Rohdaten: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie)

Mit der mitteleuropäischen Bronzezeit startete eine spannende Epoche der Menschheitsgeschichte, in der das Gebiet rund um Wersau und Brensbach besiedelt gewesen sein muss. Das belegen Bodenfunde rund um die Großgemeinde.

Das Wissen um die Herstellung der Metall-Legierung Bronze, die aus etwa neun Teilen Kupfer und ein Teil Zinn hergestellt wird, verbreitete sich vor gut 4000 Jahren vom Nahen Osten aus über ganz Europa. Der neue Werkstoff war leicht schmelz- und gießbar und doch sehr hart.
Zur Herstellung eines Axt-Kopfes benötigte man in der Jungsteinzeit mehrere Tage. Um das gleiche Werkzeug aus Bronze herzustellen, musste man nur einmal eine Gussform ausarbeiten und konnte jetzt nahezu beliebig oft das entsprechende Teil per Gießtechnik reproduzieren. Erstmals war es nun auch möglich, lange Klingen, Sicheln und Pflugschaare herzustellen. Die günstigen klimatischen Bedingungen der verhältnismäßig warmen frühen Bronzezeit, die neuen Werkzeuge und eine hochentwickelte Viehzucht, revolutionierten und intensivierten die Landwirtschaft drastisch. Der gesteigerte Ertrag an Nahrungsmitteln und bessere Lebensbedingungen führten zu einem Anstieg der Bevölkerungszahl, was die Erschließung neuer Siedlungs- und Ackerbauflächen notwendig machte. So drangen bronzezeitliche Siedler in den vorderen Odenwald. Wie hier, im Bereich von Wersau, fanden sie fruchtbaren Boden, geschützte Seitentäler und reichliche Wasservorkommen.
Eindeutige Belege von bronzezeitlichen Siedlungsplätzen durch Bodenfunde sind generell rar. Die damaligen Holzhäuser hinterließen nur selten Rückstände in der Erde, die heute zum Nachweis ihres ehemaligen Standorts dienen können. Man muss außerdem davon ausgehen, dass günstige Siedlungsplätze auch in den folgenden Epochen genutzt wurden und dadurch datierbare Spuren verwischten. Dass sich aber auf den Gemarkungen von Brensbach und Wersau bronzezeitliche Einzelgehöfte oder Siedlungen befanden, ist mehr als wahrscheinlich. Davon zeugt eine beachtliche Anzahl von mindestens 50 Hügelgräbern dieses Zeitalters, die bisher auf den umliegenden Höhen entdeckt wurden.

Abb: Schnitt-Modell Hügelgrab im Bereich des Steinbruchs. Museum Schloss Fechenbach, Dieburg (Foto: M.Tischler)

Ihre Toten bestatteten die Menschen der Bronzezeit über viele Jahrhunderte hinweg auf die gleiche Weise: Sie wurden seitlich liegend, mit angewinkelten Beinen und dem Gesicht in Richtung aufgehender Sonne auf den Boden gelegt. Den Verstorbenen wurde ihr Schmuck angelegt, ihre Waffen, Werkzeuge und oftmals auch Tongefäße mit Proviant für die anstehende Reise ins Reich der Toten beigestellt. Die Bestattung deckte man sofern vorhanden mit Steinen ab, der sogenannten Steinpackung. Abschließend wurde

darüber mit Erde der charakteristische Hügel aufgeschüttet, den man an seiner Basis mit einem Ring größerer Steine einfriedete. In bergigen Gebieten, wie unserem vorderen Odenwald, wählte man bevorzugt Bergkuppen oder die Scheitel der Höhenzüge als Standort dieser letzten Ruhestätten. So konnten sie von der aufgehenden Sonne beschienen werden und waren weithin sichtbar. Auch finden sich Hinweise, dass an ihnen alte Wegeverbindungen vorbeiführten. Vielleicht verband man durch die Position der Bestattungsorte auch eine Erinnerung der vorbeikommenden Lebenden an die Toten.

Je nach Anzahl der darin bestatteten Personen und deren sozialer Stellung variierten die Dimensionen der Grabanlagen, die in unserer Gegend Durchmesser zwischen 8m und 16m aufweisen und je nach Erhaltungsgrad bis zu 1,80m hoch sind. Da sich sämtliche der heute noch vorhandenen Hügelgräber in schützenden Waldgebieten befinden, liegt die Vermutung nahe, dass sie nur einen Bruchteil dieser hier einst vorhandenen Grabstätten darstellen. Ein großer Teil wird vermutlich durch Rodungen, Erosion und Landwirtschaft verschwunden sein.

Das Wersauer Hügelgrab und die Hügelgräber am Gemmertsberg
Im Sommer 2020 meldeten die Wersauer Heimatforscher die Entdeckung vier weiterer Hügel an die hessenArchäologie. Der Behörde waren diese noch nicht bekannt gewesen. Die Annahme, dass es sich um Grabhügel handelt, konnte ein Jahr später - während Recherchen zu diesem Buchbeitrag – erhärtet werden. Dr. Walther erwähnt in der bereits erwähnten Publikation von 1869 (…) im Wald von Groß-Bieberau gegen die Fr.-Crumbacher Grenze hin (…) mehrere Grabhügel, die bereits geöffnet worden sein sollen. (…) Wir müssen also von einer Wiederentdeckung sprechen.

Abb: Das Wersauer Hügelgrab auf dem Gemmertsberg (Foto: M. Tischler)

Die vier Hügel befinden sich nahezu akkurat auf einer Linie, entlang des Bergrückens Gemmertsberg. Der nördlichste liegt auf Wersauer Gemarkung (1) und ist ziemlich genau 1km vom südlichsten Hügel (4) auf Fränkisch-Crumbacher Gemarkung entfernt. Dazwischen befinden sich zwei weitere Grabhügel (2+3), nur etwa 100m voneinander entfernt, auf der Groß-Bieberauer Seite der Gemeindegrenze.

Abb: Lidar-Scan der vier Hügelgräber auf dem Gemmertsberg.
(Bild: M.Tischler, Rohdaten: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie)

Das Fr.-Crumbacher Hügelgrab hat einen beachtlichen Durchmesser von 15m und eine Höhe von 1,60m. Ein mittiger, senkrecht in den Hügel gegrabener Trichter zeugt auch hier von einer früheren, wahrscheinlich unerlaubten Öffnung. Einer Erzählung nach öffneten unberechtigte Privatpersonen vor einigen Jahrzehnten das Grab und fanden auf Höhe der vermuteten Bestattung eine leere Selters-Flasche. Den Raubgräbern waren offenbar Grabräuber zuvorgekommen. Der erste der beiden Eingriffe hätte anhand einer Datierung der Selters-Flasche wenigstens zeitlich eingegrenzt werden können, was leider auch nicht geschah.

 

Doch eine bronzezeitliche Siedlungsspur?
Im April 1979 meldete der später promovierte Archäologe Ernst-Friedrich Roß den Fund von bronzezeitlichen Keramikscherben mehrerer Gefäße, die er bei Feldbegehungen nördlich von Wersau entdeckt hatte. Sie sollen der Urnenfelder-Kultur (um 1200 v.Chr.) zuzuordnen sein. Roß selbst beschreibt den Fundkontext als Siedlungs-Spuren. Da es sich hier um den bisher einzigen vagen Hinweis auf eine Siedlungsstelle der Bronzezeit in der Gemeinde Brensbach handelt, wird das beschriebene Areal in den kommenden Jahren erneut mit Begehungen und Sondierungen untersucht werden.


Die Hügelgräber vom Oberwald
Am Brensbacher Oberwald befinden sich nur wenige Meter hinter der südlichen Bebauungsgrenze des Ortes fünf relativ gut erhaltene Grabhügel. An ihrer Basis zwischen 13m und 15m breit und etwa 1,50m hoch, weisen sie alle eine kraterartige Vertiefung auf, die von einem Eingriff zeugen.
In den Jahren 1851 und 1852 ließ der aus Brensbach stammende Johann Jacob Hofmann, der in Roßdorf bei Darmstadt lebte und als Revierförster arbeitete, die Hügelgräber am Oberwald öffnen. In einer Zeit, als das Interesse an der vorgeschichtlichen Vergangenheit stark wuchs und die Archäologie zu einer anerkannten Wissenschaft avancierte, muss man sich jedoch die Grabungen des Oberförsters, der mitunter zur Waldarbeit verurteilte Kleinkriminelle einsetzte, recht grobschlächtig vorstellen. Auch die Dokumentation der Grabung ist lediglich als rudimentär zu bezeichnen. Doch immerhin - es gibt ein Dokument, das der Nachwelt erhalten geblieben ist und einige Rückschlüsse auf den Ursprung der Hügelgräber vom Oberwald ermöglicht. Veröffentlicht im „Archiv für Hessische Geschichte und Alterthumskunde“ (Band 6 von 1851 und Band 7 von 1852) beschrieb Hofmann seine Grabungsfunde:
„Ein Messer aus Bronze“ Länge: ca. 25cm, Breite: ca. 1,9cm
„Einige wenige, kleine spiralförmige Metallstücke aus Bronze"
„Stücke eines zerbrochenen Ton- Gefäßes" Höhe: ca. 20cm, Durchm.: ca. 20cm, Mündung: ca. 12,5cm
„Ein kleineres Ton-Gefäß" Höhe: ca. 7,5cm, Durchm.: ca. 7,5cm, Mündung: ca. 5cm

Bei den beschriebenen Funden handelt es sich um typische Grabbeigaben der Hügelgräber-Bronzezeit. Die „Spiralförmigen Metallstücke“, die Hofmann fand, könnten Teile einer Arm- oder Beinspirale aus Bronze gewesen sein. Sie zählen zum klassischen Schmuck bronzezeitlicher Frauen und Mädchen

Hofmann berichtet weiter von Gegenständen aus Bronze, die „(…)bei der Urbarmachung des Waldgebietes, in dem sich die Grabhügel befinden, gefunden wurden(…)“
„Ein säbelförmiges Messer aus Bronze“ Länge: ca. 25cm, Breite: ca. 2,5 cm
„Pfeilspitzen aus Bronze
"Einer großen Sichel ähnliches Instrument aus Bronze“

Alle gefundenen Gegenstände wurden laut Hofmann an die Sammlung des Grafen von Erbach übergeben und galten bislang als verschollen. Im Zuge der Recherchen zum Brensbacher Buchbeitrag wurde in Erbach nochmal nachgehakt. Frau Dr. Anja Kalinowski, die wissenschaftliche Leiterin der Betriebsgesellschaft Schloss Erbach, verglich daraufhin die Liste der Funde vom Brensbacher Oberwald mit den in der Erbacher Sammlung vorhandenen Artefakten. Und tatsächlich konnte eine Bronzesichel, die auf Hofmanns Beschreibung passt, in einem nicht katalogisierten Teil der Erbacher Sammlung gefunden werden. Laut Kalinowski könnte sie aus dem Zeitraum von Hofmanns Grabungen stammen. Dies und die Bestätigung der Landesarchäologie Hessen, dass es sich bei dem Objekt um eine Bronzezeitliche Knopfsichel handelt, erhärten den Verdacht, dass wir die Sichel vom Brensbacher Oberwald entdeckt haben.

Abb.6: Die bronzezeitliche Knopfsichel aus der Erbacher Sammlung stammt vermutlich vom Brensbacher Oberwald (Foto: A.Kalinowski)



Wo lebten die Menschen, die dort vor so langer Zeit ihre letzte Ruhestätte bekamen? Das ist bisher nicht nachgewiesen und so können lediglich durch Bewertung des unmittelbar angrenzenden Geländes, in Bezug auf dessen praktische Eignung für einen Siedlungsplatz, Vermutungen angestellt werden. Diesbezüglich gelten für die Vorgeschichte eine südliche Hanglage und die Nähe zu fließendem Gewässer als besonders attraktiv. Demnach käme der gesamte in Richtung des Kilsbachs und der Gersprenz abfallende Hang des Oberwaldes und der Bereich der Karl-Schäfer-Straße infrage.

Die Hügelgräber am Büches
Nördlich des Brensbacher Flurs Am Kalkofen liegt unmittelbar hinter der Gemarkungsgrenze zu Ober-Klingen ein weiteres Waldstück, in dem sich mindestens zehn Grabhügel befinden. Auch hier zeugen trichterförmige Vertiefungen in deren Mitte von nicht fachgerechten Grabungen, die ebenfalls dem Revierförster zu Roßdorf, Johann Jacob Hofmann, zugeschrieben werden können. Neben den Grabungen am Oberwald erwähnt dieser im bereits beschriebenen Dokument von 1851 in einem Nebensatz nämlich, dass er die Hügel im Ober-Klinger Gemeindewald „(…) auf Veranlassung des Herrn Präsidenten des Historischen Vereins für das Großherzogthum Hessen, Herrn Geheimen Staatsrath Eigenbrodt, aufgraben ließ (…).“ Da er sich hierzu sehr kurz fasst und bis auf die aufwändige Nennung seines Auftraggebers keine Funde aufführt, wird er wahrscheinlich auch nichts gefunden haben. Die Hügel liegen an einer alten Hauptverbindung zwischen Brensbach und Ober-Klingen. Sie lockten möglicherweise schon lange vor Hofmanns Wirken Grabräuber an.
Auch hier ist die Lage der zu den Gräbern gehörigen Siedlungsstelle nicht bekannt, die sich aber vermutlich in der Nähe befunden haben dürfte. Der Bereich um den nicht weit südlich entspringenden Kohlbach könnte günstige Bedingungen geboten haben.

Marco Tischler 2023 - aus Brensbach - eine Zeitreise