Jungsteinzeit (Neolithikum) - (5500v.Chr. – 1800v.Chr.)
Die frühesten Bodenfunde, die die Gegenwart von Menschen in unserem Bereich des Gersprenztals belegen, stammen aus der Jungsteinzeit, dem Neolithikum. Diese Epoche der Vorgeschichte wird auch als die „Neolithische Revolution“ bezeichnet und steht für die wohl entscheidendste Veränderung menschlichen Zusammenlebens und die Basis der heute existierenden gesellschaftlichen Strukturen: Die Sesshaftwerdung.
Das Klima erwärmte sich vor ca. 10.000 Jahren innerhalb relativ kurzer Zeit sehr deutlich. Der vom Nordpol bis auf das europäische Festland reichende Eispanzer zog sich zurück, der aufgetaute Permafrostboden Mitteleuropas bot nun gute Bedingungen für eine immer vielfältigere Pflanzen- und Tierwelt. Das ermöglichte dem Menschen, der in Südhessen bis um 5500 v.Chr. als Jäger und Sammler umhergezogen war, seine Nahrung selbst herzustellen, indem er Tiere domestizierte und Ackerbau betrieb. Er baute feste Unterkünfte und Ställe. Weitere Errungenschaften der Jungsteinzeit sind Gefäße aus gebranntem Ton, Textilien aus Pflanzenfasern und Tierwolle, das Rad und immer präziser gefertigte Werkzeuge aus Stein, was die markanteste Hinterlassenschaft dieses Zeitalters darstellt und somit dessen Namen prägt.
Auch in unserer Region scheint das neolithische Zusammenleben weit verbreitet gewesen zu sein. Siedlungsbereiche werden unter anderem bei Groß-Bieberau, Ueberau und weiteren Stellen im Reinheimer Hügelland und dem sich von dort in Richtung Norden öffnenden Dieburger Becken durch entsprechende Bodenfunde belegt. Aus dem Bereich rund um Wersau und dem von hier weiter in den Odenwald einschneidenden Gersprenztal sind bislang keine Funde bekannt, die eine Siedlungsstelle belegen können. Doch die schiere Anwesenheit jungsteinzeitlicher Menschen im heutigen Gebiet der Großgemeinde ist eindeutig durch Einzelfunde belegt
Die Hippelsbacher Hammeraxt
Ein beeindruckendes Relikt aus der Jungsteinzeit lag etwa 4500 Jahre lang im Boden des nördlichen Randgebietes Wersauer Gemarkung. Im April 1970 findet der Hippelsbacher Georg Schellhaas beim Eggen seines Feldes zufällig eine facettierte Hammeraxt aus basaltischem Gestein. Sie könnte durch Erdarbeiten beim Verlegen von Kabelkanälen in den 1960er Jahren ans Tageslicht befördert worden sein und wird der Schnurkeramischen Kultur (um 2500 v.Chr.) zugeschrieben. Einzelfunde von solchen Äxten wurden bisher häufig als Hinweis auf Waldbau (Baumfällarbeiten) und den Verlust des Werkzeuges gedeutet. Sie kamen aber auch als Waffe zum Einsatz oder dienten als Prestige-Objekt.
Die Hippelsbacher Hammeraxt ist im Dieburger Museum Schloss Fechenbach ausgestellt.
Die Wersauer Hammeraxt
Der Hippelsbacher Hammeraxt in Machart und Datierung ähnlich ist ein Anfang des 20. Jahrhunderts in Wersau gefundener Axtkopf. Das Artefakt wurde bei Feldarbeiten im Bereich zwischen Grundschule und Gersprenzwiesen, der früher als Hofbeune bezeichnet wurde, entdeckt und ist im Dorfmuseum Wersau ausgestellt.
Die Pfeilspitze vom Schnellerts
Im Sommer 1999 musste auf dem bei Stierbach gelegenen Schnellerts ein Ahorn gefällt werden, der mit seinen Wurzeln die Grundmauern der mittelalterlichen Burgruine gefährdet hatte. Dem scharfen Blick von Karl Hofferberth ist ein Fund zu verdanken, der schon als „kleine Sensation“ bezeichnet wurde. Im Wurzelwerk des stattlichen Baumes erspähte der Heimatforscher der Forschungsgemeinschaft Schnellerts (FGS) eine nicht mal 2cm große Pfeilspitze aus Quarzgestein. Die FGS ließ den Fund archäologisch und mineralogisch untersuchen. Es handelt sich um den im späten Neolithikum auftretenden Typ Gestielte Pfeilspitze. Sie besteht aus dem außerordentlich harten und scharf splitternden Mineral Calcedon, das wahrscheinlich vom Gailenberg bei Lämmerspiel/Mühlheim a.M. stammt. Hier findet man das nächste Vorkommen dieser Gesteinsart, das an dieser Stelle und zu dieser Zeit auch nachweislich gewonnen und in alle Richtungen exportiert wurde. Aufgrund des hohen Verlustrisikos einer Pfeilspitze bei der Jagd benutzte man auch bis in die Bronzezeit noch steinerne Typen, die im Vergleich zu Bronze aus dem günstigeren Material bestanden.
Die Pfeilspitze vom Schnellerts ist im Dorfmuseum Brensbach ausgestellt.
Weitere Einzelfunde der Jungsteinzeit
Innerhalb des Wildparks bei Stierbach wurde 1980 ein kleines Steinbeil mit messerscharfer Schneide gesichert, das sich heute in Privatbesitz befindet. Bei Höllerbach soll bereits im Jahr 1904 ein Steinbeil entdeckt worden sein, über das nichts weiter bekannt ist. Auch vom Fränkisch-Crumbacher Hexenberg und vom Zehntviertel in Gersprenz sind Funde von Steinbeilen bekannt. Bei Feldbegehungen im Jahr 1980 konnten bei der Wersauer Flur Weidengrundshöhe drei Tonscherben der Linearbandkeramischen Kultur (um 4800 v.Chr.) geborgen werden. In der Groß-Bieberauer Chronik zur 1200 Jahr-Feier wird ein sogenannter Schuhleistenkeil erwähnt, der im 19. Jahrhundert am Bensenböhlskopf gefunden worden sein soll. Diese Bezeichnung wird in der Archäologie für Klingen prähistorischer Dechseln des frühen Neolithikums verwendet. Dechseln wurden im Verlauf des späteren Neolithikums von Beilen und Äxten abgelöst.
Marco Tischler 2023 - aus Brensbach - eine Zeitreise